Viele Wege zum Selbst Von der Achtsamkeit bis zum Zen reichen die Schulen der Meditation. Stets geht es darum, den Blick nach innen zu richten. Ein ruhiger Ort, eine bequeme Körperhaltung und Lust auf Entspannung. Es könnte jetzt losgehen – doch wie geht es genau, das Meditieren? „Auf diese Frage gibt es viele mögliche Antworten, weil eine Vielzahl unterschiedlicher Meditationstechniken existiert“, schreibt der Gießener Psychologe Ulrich Ott in seinem Buch „Meditation für Skeptiker“. Tai-Chi, Qigong, Hatha-Yoga und der Drehtanz der Derwische beinhalten Bewegungen des Körpers. Manche Meditationen aus dem Christentum und dem Buddhismus werden still durchgeführt, aber nicht unbedingt leise. Das Om ist eine Meditationssilbe zum ständigen Wiederholen. Ganz gleich ob bewegt oder reglos, ob laut oder stumm – das Meditieren soll helfen, das eigene Bewusstsein zu verändern. Darüber waren sich Experten einig, als sie nach allgemeingültigen Merkmalen von Meditation suchten: Es müsse eine definierte Technik sein, die es dem Menschen ermöglicht, eine „Entspannung der Logik“ zu erreichen: Analysen und Urteile sind reduziert. Wichtig sei es auch, geistige Ruhe und Gedankenstille zu erfahren. Diesen Zielen kann man sich annähern, indem man seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge richtet, auf Meditationsobjekte wie Mantras, Bilder oder eine Kerzenflamme. Gerade für Anfänger eignet sich der eigene Atmungsvorgang. Dieser laufe zwar automatisch ab, kann laut Ott jedoch „sehr leicht bewusst wahrgenommen werden, weil er mit Bewegungen des Zwerchfells und Brustkorbs einhergeht“. In Zen-Traditionen zählen Meditierende die Atemzüge; im Yoga trainieren sie Atemtechniken als eigene Übungsstufe; und in christlichen Exerzitien lauschen sie dem eigenen Atmen. Auch andere Übungen zielen dar - auf ab, den Blick nach innen zu lenken. Beim „Body-Scan“ etwa wandert die Aufmerksamkeit vom kleinen Zeh bis zum Kopf. Hände und Füße lassen sich punktgenauer wahrnehmen als andere Körperregionen, weil sie besonders dicht mit Nervenfasern versorgt sind. Die Hände etwa taugen deshalb gut als Anker, der die Aufmerksamkeit festhält. „Im Zen werden die Handflächen oft vor dem Bauch so ineinandergelegt, dass sich die Spitzen der Daumen berühren“, schreibt Ott. Im Yoga würden die Handhaltungen als „Mudras“ bezeichnet. Indem man die Handflächen – wie im christlichen Gebet – vor der Brust aufeinanderlegt, wird die Wahrnehmung auf das Verschmelzen der linken und der rechten Hand gelenkt. Dieses Verankern des Bewusstseins im Körper wirkt Ott zufolge der Überbetonung des Verstandes, der „Verkopfung“, entgegen und führe zu einem „inneren Klärungsprozess, bei dem Ängste, Wut und Trauer mit der Zeit abnehmen und sich positive Gefühle einstellen“. Eine weitere Herausforderung des Meditierenden besteht darin, den Geist zu beruhigen. Ein Strom von Gedanken, Phantasien, Vorstellungen, Emotionen und Erinnerungen rauscht unentwegt durch den Kopf. Doch indem man die Gedanken beobachtet oder sie gezielt fasst, kann es gelingen, das Tempo herauszunehmen. Das kann bis hin zu mystischen Erfahrungen gehen: Gefühlen grenzenloser Freude, tiefen Friedens, allumfassender Liebe und dem Hauch von Ewigkeit. Die mit Worten schwer zu beschreibenden Erfahrungen sind das Faszinosum aller Schulen der Meditation. Vipassana ist die buddhistische Achtsamkeitsmeditation mit dem Ziel, erleuchtet zu werden. Zen ist eine in Japan beliebte Strömung, um „Satori“ zu erlangen, ein tiefes Verstehen. Der vom Dalai Lama praktizierte tibetische Buddhismus strebt nach allumfassender Weisheit. Die christliche Mystik hat das Einswerden mit Gott als Ziel und die jüdische Kabbala den Zustand, bei Gott zu sein. Nüchtern erscheint im Vergleich dazu das Ziel der „Mindfulness-Based Stress Reduction“, die sich gegenwärtig in der westlichen Medizin ausbreitet: Ängste und Schmerzen sollen nicht bekämpft, sondern angenommen werden. Welche Meditation am besten zu einem passt, das kann jeder selber ausprobieren. Viele Wege führen zum Selbst